Journalismus auf niedrigstem Niveau in Sachen Netzthemen gibt es diese Woche gleich 2 Mal zu vermelden. Als Tiefschlag Nummer 1 drischt Anna Sauerbrey im Tagesspiegel auf Peter Thiel ein. In Silicon Valley – Der religiöse Kult des Monopolkapitalismus wird brav der Kanon der deutschen Kulturkritik abgespult. Die Diagnose “Kapitalismus als Religion” stammt aus den Zeiten von Georg Simmel und Walter Benjamin. Marktschreierisch in der Überschrift angepriesen bleibt sie reine Metapher, im Text belegt

wird nichts.

Ist Religion, so ganz allgemein ganz schlimm? Oder der Kapitalismus? Oder erst wenn beide zusammen auftreten? Wo der Kult ist, die Rituale, die Gläubigen, der Kanon – das bleibt offen. Der Text arbeitet sich an der Person Thiels ab. Hauptkritikpunkt ist, er wäre nicht empathisch seinen Mitmenschen gegenüber. Walter Benjamin war Kommunist und würde vermutlich im Grabe Purzelbäume schlagen wenn er vom schaurigen Nachleben seiner Gedanken erführe.

Polemik, die über das Ziel hinausschießt – okay. Das kann durchaus vorkommen. Kein Verständnis habe ich dagegen dafür, dass der Artikel wissentlich Fakten verdreht. Es wird der Eindruck erweckt, dass Peter Thiel im Buch wirtschaftliche Monopole genrell gutheisst. Das stimmt nicht, er unterscheidet zwischen kreativen Monopolen in einer dynamischen Welt und den statischen Monopolen:

“In a static world, a monopolist is just a rent collector. If you corner the market for something, you can jack up the price; others will have no choice but to buy from you. (…)
But the world we live in is dynamic: it’s possible to invent new and better things. Creative monopolists give customers more choices by adding entirely new categories of abundance to the world. Creative monopolies aren’t just good for the rest of society; they’re powerful engines for making it better.”

Und das ist doch deutlich anders, als im Tagesspiegel-Artikel dargestellt. Aber egal – irgendjemand sagt angeblich etwas gegen “die klassische Volkswirtschaftlehre”. Welche eigentlich genau? Man kann sich gerne mal ansehen, was die 3 Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften 2014 so sagen. Nämlich in etwa das Gegenteil voneinander, wenn man Robert Shiller und Eugene Fama vergleicht.

Von Heilslehre war nie die Rede. Peter Thiel hat ein anekdotenhaft getriebenes Buch geschrieben und hält Vorträge. Zu dem evil genius oder falschen Messias wird er vor allem in Deutschland stilisiert, wo man scheinbar immer einen personifizierten Bösewicht benötigt.

Ärgerlich ist die Schluderigkeit, mit der der Artikel zusammengeschrieben wurde. Im letzten Absatz ist der Artikel bei “Disruption” angelangt – aber was hat das mit Peter Thiel zu tun? Vermutlich weil er das Konzept Disruption in “Zero to one” diskutiert und sich klar dagegen abgrenzt: “As you craft a plan to expand to adjacent markets, don’t disrupt: avoid competition as much as possible.” Aber egal ob dafür oder dagegen, alles was Thiel sagt wird gegen ihn verwendet.

Dass man sich in Deutschland Verschwörungstheoretiker sparen kann, beweist das Shit Katapult der Demokratie, DER SPIEGEL vom 28.2.2015 mit dem Titel “Die Weltregierung”, der von der Weltregierung daherhalluziniert. Diese wird kreativerweise nicht mehr an der us-amerikanischen Ostküste, sondern an der Westküste verortet. Hier die Replik von Jeff Jarvis.
Deutschland ist eine Industriegesellschaft auf dem absteigenden Ast, die von Überalterung und Kontrollverlust mit Grexit und Brexit geplat ist. Wirtschaftlich kann man leider nicht mehr mitspielen im IT Bereich, denn das Venture Capital wandert nach China oder die USA. Was also tun? Dagegen anstinken mit Polemik und zumindest die heimischen Konsumenten auf Paranoia gegen US-Produkte einschwören. Wie ein Kind, das beim Wettrennen abgehängt wurde und nun versucht den anderen Stöcke in den Weg zu werfen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Als ob Google der Herrscher der Welt wäre und nicht eine überbewertete Werbeagentur, die auch mit Flopprodukten wie Google Glasses aufwartet.