(Zweiter Leseversuch, nachdem der Erste 2001 ergebnislos verlief.) Auf dem Cover von Deleuze/ Guattaris “Tausend Plateaus” befindet sich eine Tag Cloud. Und das, obwohl diese Ausgabe des Buches von 1992 stammt (frz. Original von 1980). Einige Anregungen darin nehmen (wünschen!) nahezu prophetisch die Entwicklung von Hypertext und World Wide Web voraus: “Ideal für ein Buch wäre, alles auf einer solchen Ebene der Äußerlichkeit, auf einer einzigen Seite, auf ein und derselben Fläche auszubreiten: wahre Ereignisse, historische Bedingungen, Ideenentwürfe, Individuen, gesellschaftliche Gruppen und Konstellationen.” (S.19)
Ansonsten ein eher zweifelhaftes Programm. Der Hass auf die Psychoanalyse: der kleine Hans soll zum Pferd werden. Die Schizoanalyse. Die Absage an das bürgerliche Individuum, wir sind viele.
Mir fällt ein Zugang durch die verwendete Sprache schwer wie schon beim Lesen von Hakim Bey. Wobei ich die Sprache weniger poetisierend als mystifizierend empfinde. Man berauscht sich an dem Vokabular, doch wo ist der Erkenntnisgewinn? Begriffe aus naturwissenschaftlichen Disziplinen werden gekapert und zweckentfremdet.
Das Rhizom wird metaphorisch wie eine positiv gewendetet Version von Jud Süß beschrieben: “Ratten (die) übereinander hinweghuschen” (S.16) und die Quecke, das Unkraut. Und auch ansonsten wirkt der extreme Biologismus, der Verweis auf die Natur und die Vermischung mit sozialen Phänomenen befremdlich.
Kulturalismus: Orient und Indianer (S.32,33), Wunschprojektion Morgenland, Gegenkultur und fremde Kulturen.
Eine Linie definiert sich, dadurch, dass sie mindestens zwei Punkte miteinander verbindet. Nicht so hier. Herrje, bei “meßbaren Geschwindigkeiten” auf den Linien (S.12) bedarf es dann doch wieder Vorstellungen der Wissenschaft, ebenso die ständige Verwendung von Buzzwords aus Physik und Mathematik. Und an dieser Stelle muss jede Kritik an Deleuze auch notwendigerweise scheitern. Ein Text, der eine Lanze für den Irrationalismus bricht, kann kaum mit rationalen Mitteln kritisiert werden. Wie dann? Gar nicht. Ich lese das Buch als Belletristik weiter und erspare mir zusätzliche Unannehmlichkeiten.
Warum Alan Sokal Deleuze nicht im Visier hatte, bleibt fraglich.
Passend zum Thema der Verweis auf einen Text von Roger Behrens zu Poststukturalismus und insbesondere Deleuze:
Einige Bemerkungen zur poststrukturalistischen Theoriemode am Beispiel von Gilles Deleuze”