Ernst Lohoff redete am 27.3.2008 über “Die geschlossene Gesellschaft und ihre Feinde. Über die Kulturalisierung sozialer Konflikte im globalisierten Krisenkapitalismus.” in der Bunten Kuh in Weißensee. Hier nur eine Zusammenfassung der zweiten Hälfte des Referats, da ich zu spät kam (deswegen keine Gewähr für die folgenden Angaben): Antiwestliche Bewegungen im Islam würden Traditionen exhumieren, um damit eine Gemeinschaft zu formen. Zentral sei die Frontstellung nach außen und eine Homogenisierung nach innen. Blaupause dafür sei der deutsche Idealismus bei Fichte, der den modernen Antisemitismus und Todeskult am “Kulturvolk” der Deutschen eingeführt hätte. Fichte sei deswegen ein Gründer des Kulturalismus. Generell würde der heutige Umma-Islam in Deutschland Unterschiede zwischen Migranten einebnen, er würde eine synthetische Kultur erzeugen, etwa durch den Rekurs auf das Hocharabische als Umgangssprache.
Lohoff konstatierte einen Unterschied zwischen nationalen Bewegungen (Nationalstaat, Nationalökonomie und nationalistische Ideologie) und Kulturalismus: letzterer würde die Modernisierung der Subjekte ins Nichts führen. Er sei “identitätspolitische Pseudoalternative in einer krisengeschüttelten Weltökonomie”. Die iranische Revolution sei die Ausnahme gewesen, ansonsten würden vom islamischen Kulturalismus transnationale Netzwerke gebildet.
Hamas und Hizbollah würden einen Großteil ihrer Gelder in den sozialen Bereich stecken. Dies würde aber keinen Aufbau von Staatlichkeit implizieren, sondern die Vergesellschaftung durch den Staat ersetzen. Statt des “wirs” der Staatsbildung stände im Kulturalismus nur die Feindschaft zum Gegner, das “wir” sei Abfallprodukt der gesellschaftlichen Formierung, nicht mehr dessen “Vorderseite” wie im Prozess der Nationalstaatsbildung.
Aber nicht nur der islamische Kulturalismus sei schlimm, es solle kein einseitiger Eindruck entstehen, auch im Westen sei der Kulturalismus auf dem Vormarsch mit einer “paranoiden Struktur” und einer Abgrenzung. Der Islam würde von einigen Vertretern des westlichen Kulturalismus so behandelt, dass es die Feindbilder Jihadisten unterstützen würde. Und nach 9/11 hätte es dann Leute wie Oriani Fallaci gegeben, die “eine ehemalige Linke” sei. Zur Bebilderung noch Zitate von ihr über “Zuwanderung über den Kreissaal” und ein “vermehren sich wie die Ratten”, außerdem hätte sie ihr Vermögen dem Vatikan vererbt (ein Raunen geht durch die Menge). Scheinbar wurde der Name von Teilen des Publikums noch nie gehört. Schlusswort: Kulturalismus im Westen wäre eine moderne Bewegung gegen die Moderne und so schlimm wie der Westen, beide Seiten würden sich am Ende kaum unterscheiden.
Die Diskussion mäanderte anschließend zwischen dies und das. Der Verweis auf den angeblichen Islamismus sei nur ein Ablenkungsmanöver von den wahren, sozialen Problemen, so ein Publikumsbeitrag. Anschließend wurde endlos über den Zweck von und die Interessen hinter (wenn´s denn welche gäbe) von Ideologie gerätselt. Plus diverses.
Alles in allem ein Abend, der mir einerseits Erkenntnisse über die Krisis-Position brachte. Andererseits fragte ich mich doch, warum gerade jetzt eine Veranstaltung zu dem Thema, dazu noch so allgemein gehalten, veranstaltet wurde. Die Debatte ist durch und weder die Relevanz, die Thesen gerade zu diesem Zeitpunkt zu präsentieren, noch ein aktueller Praxisbezug waren für mich ersichtlich.
Interessanteste Erkenntnis des Abends: Es gibt vereinzelt wirklich Leute, die sich die Prodomo ausdrucken und auch lesen.