Nachtrag Tag 2: Positiv überrascht wurde ich von dem kurzfristig ins Programm genommenen Film Culture Jamming von David Schwertgen, der dann aber statt wie angekündigt um 4.00 Uhr früher gezeigt wurde. Ich erwartete nach der Ankündigung, dass er am “Handbuch der Kommunikationsguerilla” der autonomen a.f.r.i.k.a gruppe orientiert sei eher eine Deutung von allerlei Pranks als linken Widerstand. Stattdessen gab es in den knapp 30 Minuten Spielzeit eine ausführlichere Darstellung von 3 Projekten, die allesamt zu heterogen waren, um sie auf eine simple politische Botschaft zu reduzieren. Etwa Hans Bernhard, ein misantrophischer Künstler,
der als seine Motivation für seine Projekte voteauction.com und google will eat itself “Forschung im lebenden Organismus der globalen Kommunikation” nannte. Statt dem Suvertising von einzelnen Werbeplakaten schaffte er eine maximale Öffentlichkeitswirkung durch eine Website zum Verkauf von Stimmen bei der US-Präsidentenwahl 2000.

Tag 3: Schon um 16 Uhr Endspurt am letzten Tag. 2 Optionen stehen zur Auswahl: Links – “Kreative Stadt”; rechts “Was wäre linker Neoliberalismus?”. Ich wähle “rechts” und neben einem eher plauderig-verschlafenem Holm Friebe gibt es Mercedes Bunz und Christian Rickens zu hören (der Moderator Philip Albers wirkt leicht überflüssig, da Holm Friebe die meiste Zeit redet). Mercedes Bunz erklärt ausgehend von den Ordoliberalen der Freiburger Schule die Idee des Neoliberalismus nach Foucault: die unternehmerische Strukturierung der Gesellschaft bis zur kleinsten Einheit. Diesen Prozess – so Bunz – könne man nicht verhindern sondern allenfalls gestalten; der Neoliberalismus sei schon längst durchgesetzt und deswegen müsse mitmachen von “links” aus. Okay, nur ist “links” für mich nicht Kurt Beck, an dessen Aussagen sie sich abarbeitete. Und die Option eines gänzlich anderen möchte ich zumindest pauschal auch nicht ausschließen, das wäre für mich links – jenseits der organisierten Sozialdemokratie. Chrisitian Rickens wartete mit einigen interessanten Thesen auf: nach jahrelangem Schreiben für das managermagazin sei er von ehemals linken Überzeugungen abgekommen. Auch gut sein Bekenntnis zu einem Materialismus, d.h. der Absage an das Heil der immateriellen Werte, in denen das Individuum sein Glück finden soll (Nation, Familie als Blutsbande etc.). D´accord ging ich mit seinem Plädoyer für eine Globalisierung und seine Ablehung der Standpunkte von Oskar Lafontaine. Ebenso interessant das Bekenntnis für Fortschritt/Optimismus, den er gegen den Sozialstaatskonservatismus der heutigen Linken stellte: man solle den Glauben an eine bessere Gesellschaft bewahren; es gäbe Optimierungsbedarf.
Weniger d´accord ging ich mit der Intention des Podiums – im Endeffekt sich ganz wirtschaftsliberal auf “best practice” Methoden zu berufen einerseits, andererseits nach dem Staat zu rufen. Das Verhältnis aus Sozialstaat, Markt und Bürger/Arbeitskraft soll neu bestimmt werden.
Öffentliche Räume sollte es weiterhin geben. Flache Konzernkritik und ein Schuß antiamerikanisches Ressentiment durften da natürlich nicht fehlen. Der Moderator ließ sich über Shopping-Malls aus, die von anonymen Konzernen gestaltet würden und wie toll es in Berlin sei im Vergleich zu den USA wurde auch geäußert. Wie neoliberal ist das?

Ich wechselte zur Option “links” in den Saal, in dem über Stadtumbau in Berlin, kreative Projekte und Media Spree diskutiert wurde. Da ich mitten in die fortgeschrittene Diskussion platzte, unterlasse ich hier eine Zusammenfassung. Alles in allem qualifizierte Beiträge, auch wenn der Berlin-Kult von verschiedenen PodiumsteilnehmerInnen an einigen Stellen leicht pathetisch wirkte. Auch hier wieder ein Schuss Antiamerikanismus: keine einige US-Stadt sei in einem Ranking eines deutschen Magazines aufgetaucht. Die Betreiber der Bar25 durften sich noch vom Publikum aus zu Wort melden und über den momentanen Stand des Bauvorhabens auf ihrem Standort reden.

Für mich mitgenommen habe ich: inwieweit ist die Kritik, die in den 1960/70er Jahren von Operaismus (Friebe erwähnte ihn nur kurz) und Situationistischer Internationale gestellt wurden heute partiell verwirklicht bzw. hat sich erledigt? Wo damals die fordistische Fabrikarbeit einen vorzüglichen Gegner darstellte, sind die Fronten heute gar nicht mehr eindeutig, was u.a. auch das Festival zeigte mit dem Clash der Interessen von Content-Produzenten, Verwertern und CreativeCommons-BefürworterInnen. “Gimpo”, dem ehemaligen Roadie von THE KLF wurde konkret schonmal die Einkommensgrundlage entzogen, indem sein Film, den er für 1000 Pfund aufführte, abgefilmt und auf youtube gestellt wurde. Es geht also nicht um Großkonzerne versus Verbraucher, die Fronten sind wesentlich kleinteiliger und durchziehen die Subjekte selbst etwa als LabelmacherIn, KreativeR und KonsumentIn in einer Person.