Arbeit deformiert die Persönlichkeit. Es ist schlimmer als erwartet. Am härtesten drauf ist eine Kollegin, der sich die Arbeitsabläufe schon in den Charakter eingefräst haben. Sie spricht nicht wie ein Roboter, nein, im Gegenteil, sie hat sich eine Telefonpersönlichkeit zugelegt, wie sie in den Kreisen der Kundschaft angesagt ist: Sozialarbeiterische Herzlichkeit so ungenießbar süss wie ein Glas Honig auf einmal essen zu müssen. Leider lässt sich im geschriebenen Text der Tonfall einer Person schwerlich beschreiben, aber wenn sie wieder ihr Keyword „Genau“ bringt (ich beginne bald zu zählen wie oft das Wort pro Tag fällt), dann läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Andererseits ist das wie bei Vorträgen: wenn man sich einmal auf die „äh’s“ des oder der Vortragenden eingeschossen hat scheint der Text hinterher aus nichts anderem mehr zu bestehen. Sozialisiert in gewerkschaftsnahen Kreisen, hören sich Konversationen dann in etwa so an „Ach, Frau X, ich grüße Sie!“. Dies wird vorgetragen mit einer inbrünstigen Herzlichkeit. Schlimm! Möglicherweise (Henne oder Ei?) hatte meine Kollegin (bzw. Chefin) schon davor diese Umgangsformen und passte deswegen wunderbar in diesen Job.
Dabei sitzen wir nur auf dieser Position weil Maschinen noch nicht richtig nett sein können. Treffend wurde dieser Sachverhalt einst im Film Clerks formuliert: „Even a monkey could do this job.“ Die Behauptung ist falsch, dass auf den Arbeitsmarkt die Arbeitskraft verkauft wird, denn heute ist in bestimmten Sparten die ganze Person gefragt. Soft Skills, der einzige Grund, warum GeisteswissenschaftlerInnen einen Job finden, sind das Schmieröl für Marketing und Sales. Call-Center-Arbeiter/innen sind vermutlich beschissener dran, hier gehört erzwungene Freundlichkeit zu den Arbeitsinhalten.

Gleichzeitig muss ich mich selbst ständig disziplinieren: ich kann kaum freudig mitteilen, dass ich morgens beschlossen habe vor Ablauf des Praktikumvertrages zu kündigen. Nichts wie weg hier, diese Praktikumsscheisse bringt mich – zumindest hier – nicht weiter. Ich werde auch in zwei Jahren noch im Orbit der Agenturen kreisen: zwar irgendwie drin, gleichzeitig immer auf der Position, die nie zu einer bezahlten Tätigkeit wird. Warum auch sollten Firmen für Arbeiten Geld zahlen, die sie nahezu umsonst haben können? Da ist meine Idee, sich Referenzen selbst auszudenken schon eher realistisch. Ein Portal „referenzen-tausch.de“ oder dergleichen würde Sinn machen (wäre aber dummerweise öffentlich einsehbar), bei dem der Lebenslauf augepimpt werden kann. Oder eine Firma, die Praktikanten anleitet eine Firma zu gründen durch das anstellen von Praktikanten (wie diese russischen Puppen….).
Nachdem ich heute beinahe fristlos mein derzeitiges Arbeitsverhältnis gekündigt hätte wegen eines Streites mit der Chefin gestern, entschied ich mich dann doch dafür meinem gekränkten Narzissmus keine Chance zu geben und die Marter bis zum Ende durchzustehen (bzw. zu dem eigentlich anvisierten Zeitpunkt zu kündigen). Warteschleifen in der Praktikazone drehen und derweil die Weltherrschaft planen mit Firmengründungen. Der Tauschwert den ich hier erhalte für meine investierte Zeit ist der Einblick in Arbeitsabläufe. Für etwas anderes ist ein Praktikum nicht zu gebrauchen. Vor den Toren der Angestelltenkultur stehen und betteln, dass man doch bitte reingelassen wird, ist definitiv die falsche Herangehensweise. Da wird niemals ein Job daraus.