Es war zumindest eine zeitlang interessant. Das waren die ersten Punkbands (zumindest das, was in der westdeutschen Provinz unter “Punk” verstanden wurde), mit denen man in Berührung kam. Und das in einer Phase, wo man nichts anderes kannte und alles irgendwie neu und furchtbar aufregend war. Erinnerungen an die allerersten Konzerte und Vollsufferfahrungen; in Schalterräumen von Kreissparkassen auf dem Dorf herumlungern und die Band hören. Irgendwann kam man dann aber an das richtig harte Zeug dran (via Dead Kennedys zu Crass etc.) und als dann die autonomen JUZs und AZs als Konzertorte entdeckt wurden, war es vorbei mit Rockbands, die unter dem Label “Punk” segelten. Heute macht man so einiges mit, befremdlich ist es trotzdem: Türsteher in miesen C&A-Anzügen wie von Martin Sonneborn erträumt, dazu blinkenden Lichtshows auf der Bühne. Jugendliche sucht man auf einem Punkrock-Konzert wie diesem vergebens, ich komme mir schon wie einer der Jüngsten auf dieser gefühlten Ü40-Veranstaltung vor. Wie Johnny Hauesler in der brand eins 1/2013 schreibt: Jugendliche haben heute überhaupt keine Chance auf Konzerte zu gelangen bei horrenden Eintrittspreisen mit fälschungssicheren Tickets und Überwachung durch Kameras und Türsteher. Dafür gibt es eine Ecke vor dem Backstage mit Kindern und Frauen von Bandmitgliedern (gefühlt: ein ganzer Kinderhort ist hier am Start). Wo stecken denn die Jugendlichen dieser Stadt heute? Jedenfalls nicht hier. Irgendwie ist das auch nicht Retro, sondern ein fortführen des Gleichen wie damals mit demselben Lebensgefühl.

Die Band war auch eher so ein regionales Ding mit ihrem Lokalpatriotismus, von dem außerhalb nie jemand was wissen wollte. Ich erinnere mich noch an die CD von dem Abschiedskonzert 1991 in derselben Location. Damals war das Ableben einer Band noch eine Option, heute ist das undenkbar: einmal da, immer da. Wahrscheinlich gibt es in 10 Jahren dann auch das 40-jährige Bandjubiläum in derselben Halle. Mit demselbem Publikum, alle plus 10 Jahre älter. Rockmusik ist beharrlich und mit dem Anspruch auf Ewigkeit ausgestattet.

Die Band schreibt sich rückwirkend um als Fußballband. Die Trackliste war 1991 schon ansatzweise gleich. Außer, dass heute noch ein paar Fußball-Lieder dazu gekommen sind. Ob im Publikum damals auch schon so viele Fußballtrikots vertreten waren? Ich hatte die Konzerte nur außerhalb dieser Stadt erlebt, da gab es keine Fußballtrikots. Heute wirkt das teilweise dubios, wenn Ansagen kommen wie “… damals im Spiel gegen Barcelona 1993”. Und Songs über Fußballspieler der späten 80er Jahre. Ob es unter Fußballfans auch Retro-Trends gibt und sich historische Spiele auf den letzten erhaltenen VHS-Tapes angesehen werden?

Und Lieder zu einer Katastrophe auf einer Fliegershow in den 80er Jahren gespielt werden (das war noch lange bevor eine Band mit Ortsnamen dieses Ereignis zu ihrem Gründungsmythos erklärte). So eine Bezugnahme hat was von “Tagesschau vor 20 Jahren”. Nochmal schön Parolen rufen zu Ereignissen, die keinerlei Relevanz mehr für die Gegenwart haben. Und sich wie in den 80er fühlen. Da dann aber das nächste Lied gleich von den ersten Erfahrungen beim Küssen handelt, wird es nicht zu betroffenheitslyriklastig.

Hier pocht das Herz der Sozialdemokratie. Ich würde gerne wissen, wie viel Prozent der Anwesenden Opel fahren. Schwitzige, klobige 120-Pfünder bringen ihr Hüftgold zum Schwingen und Klatschen teilweise rhythmisch wie im Musikantenstadl mit.
Andererseits: Sozialdemokratie als breit angelegte Zivilisierungsmaßnahme. Hier skandiert der Mob nicht “Fußball, Ficken, Alkohol” und auch “Amis go home” würde man hier nie brüllen. Mal vereinzelt ein Frei.Wild T-Shirt, das war´s dann aber auch mit politischem Obskurantismus. Schließlich ist der eine Sänger auch Sohn einer ehemaligen Kultusministerin (SPD) des Landes. Es gibt eine Ansage, die zur Krebshilfe und zur Anti-Nazi-Initiative aufruft. Wie Fußballrentner dann in der 87. Minute noch während der letzten Zugabe nach Hause, bevor alle zum Parkplatz rennen, um dem Stau zu entgehen.